„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“Immanuel Kant
Das eine oder andere Gespräch vom diesjährigen PMCamp in Dornbirn gärt in meinem Kopf noch vor sich hin und löst ein Gedankenblitzgewitter nach dem anderen aus. Eines der Gespräche, mit Harry Zuber, beschäftigt mich besonders intensiv. Auch wenn wir das Thema nur kurz am Freitagabend angeschnitten haben. Auslöser war die Beschreibung einer fiktiven Situation und das Verhalten der Protagonisten in dieser Situation. Das Ergebnis war insofern interessant, als das wir vom Ergebnis her betrachtet zwar ähnlich lagen, aber die Begründung gänzlich andere waren.
Vielleicht sollte ich erst mal zum besseren Verständnis, die Situationsbeschreibung (um Missverständnissen vorzubeugen, es ist eine fiktive Situation, allerdings dürfte der eine oder andere sicherlich schon Ähnliches beobachtet haben) wiedergeben. Das erleichtert, das Verständnis:
Kollege H ist als Hausmeister tätig. Gerade ist er damit beschäftigt Kisten (eine Kiste ca. 2,5 kg) eine Etage höher die Treppe hochzutragen. Er hat bereits einige Kisten nach oben geschafft, muss aber noch mindestens die gleiche Menge die Treppe hinauf befördern (einen Fahrstuhl gibt es nicht). Führungskraft A betritt die Szenerie. A fragt nicht viel, schnappt sich zwei der Kisten, da er ebenfalls eine Etage die Treppe hinauslaufen muss, und fragt M, wohin die Kisten sollen. Sein Motto: Leer laufen, kostet eine Runde. Führungskraft B kommt wenigen Minuten später hinzu. Auch er muss eine Etage hinauf und sieht wie sich M bemüht die Kisten nach oben zu tragen. Er grüßt wortlos und geht an M vorbei, ohne eine Kiste mitzunehmen. Warum auch. Ist ja nicht sein Job.
Meine These im Gespräch war, dass Führungskraft A seine Rolle als Führungskraft auch im Hinblick auf seine Vorbildfunktion bewusst war und deshalb persönlich mit angepackt hat. Während Führungskraft B diese Rolle nicht übernommen hat. Die Gegenthese von Harry war wesentlich einfacher. A weiß, was Anstand und gute Sitten gebieten. B eben nicht. Oder mit anderen Worten, das Verhalten hat nicht mit der Rolle als Führungskraft zu tun. Es ist einfach nur eine Frage des Anstands.
Dem aufmerksamen Leser dieser Zeilen ist sicherlich der feine aber kleine Unterschied aufgefallen. Während ich den Fehler gemacht habe und darauf abgezielt habe von einer Führungskraft ein „besseres“ Sozialverhalten zu erwarten, als von der Nichtführungskraft, hat Harry eben dieses Verhalten auf eine allgemeine Ebene gestellt. Unabhängig von der Rolle und Funktion, die ein Mensch ausübt. Und damit hat definitiv recht. Gute Führung hat zunächst nichts mit gutem Sozialverhalten zu tun. Das steht jedem Menschen gut an und in diesem Sinne hat auch jeder Mensch sich vorbildlich zu verhalten (so der Anspruch). Der Unterschied zwischen Geführten und dem Führenden liegt darin, dass der Führende sich um die Rahmenbedingungen kümmert und sich auf den „strategischen“ Fokus auszurichten hat, während der Geführte sich darauf verlassen können sollte, dass er seine Aufgaben wahrnehmen kann, ohne dass ihm nennenswerte Hindernisse in den Weg gestellt werden.
Für, dass Verhältnis zwischen Führenden und Geführten gilt, idealerweise, wie auch im Umgang mit allen anderen Mitmenschen – vollkommen unabhängig von ihrem Status, ihre Rolle, Funktion oder der Beziehung zueinander – dass allgemeine Prinzip des gegenseitigen Respekts und der Wertschätzung. Dieses Prinzip ist keine Einbahnstraße, sondern bewegt sich in beide Richtungen. Mit anderen Worten, behandele andere immer so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Unabhängig davon wer und was Du bist. Unabhängig davon, mit wem Du es gerade zu tun hast. Alles andere ist irrelevant. Zusammengefasst im Sinne des Volksmunds: „Was Du nicht willst, dass man Dir antue, füge keinem anderen zu.“ Würde sich jeder an die Maxime halten, ich glaube, so manches Problem würde es gar nicht geben und wir müssten Diskussion über Augenhöhe nicht führen.
Insofern wage ich zu behaupten, dass es sich um ein allgemeines Prinzip handelt, dessen Beachtung ein Zeichen des Anstands darstellt, sondern auch Ausdruck der Würde des Einzelnen ist.