Als Max Weber vor gut 100 Jahren aufgrund von empirischen Beobachtungen das Bürokratie-Modell als Grundmodell der moderner Organisationen entwickelt hat, hatte ihn schon eine gewisse Ahnung erkennen lassen, dass bürokratische Organisationen zwar effektiv und effizient sein können – aber auch genauso in Ineffektivität und Ineffizienz abgleiten, wenn die Werkzeuge der bürokratischen Organisation zum Selbstzweck werden und adäquate Führung fehlt. Wie recht er damit hatte, dass dürfen wir täglich in unserem Alltag erleben. Einer dieser Aspekte, der mich regelmäßig an meinem Verstand zweifeln lässt, ist die organisierte Unverantwortlichkeit.
Alles, aber auch alles scheint auf den ersten Blick durch Prozesse, Ablaufbeschreibungen, Aufgabendefinitionen festgelegt und definiert zu sein … ist es aber nicht und kann es auch nicht. Das wusste man übrigens schon zu Max Webers Zeiten – was einige Kritiker seines Models gerne vergessen oder verschweigen – aber das ist ein anderes Thema. Aber gerade dies ist das Problem – es ist eben nicht alles genau beschrieben und definiert. Es muss auch außerhalb diese Aufgabenbeschreibungen, Prozesse und Abläufe Verantwortung übernommen werden. Es müssen Entscheidungen getroffen werden. Das dumme ist, niemand fühlt sich zuständig. Jeder ruft: „fällt nicht in meine Zuständigkeit“ oder „das steht nicht in der Prozessdefinition“. Sprich – es geht mich nichts an. Wir können uns wunderbar verstecken. Bestens jede Verantwortung ablehnen und doch ist alles straff durchorganisiert. Eben organisierte Unverantwortlichkeit.
Taucht ein Problem auf, dass nirgendwo im Prozesse, in der Aufgabendefinition, in den Abläufen zugeordnet wird passiert entweder nichts oder es wird so lange hin und her geschoben, bis irgendwann jemand sich genervt den Schuh anzieht. Meist sind es die selben – Menschen die außerhalb der „Linie“ Verantwortung übernehmen, weil sie das Elend nicht mit ansehen können und wollen. Nur zu dumm, dass man ihnen diese Bereitschaft nicht anerkennt und ganz im Gegenteil, ihnen nicht dem Freiraum lässt. Sie machen das meist noch On-Top. Es ist ja nicht definiert. Und das wiederum führt dauerhaft zur Überforderung dieses wertvollen Personenkreises. Aber es ist ja alles durchorganisiert – auch die Unverantwortlichkeit.
Wollen wir hoffen, dass die „Agilisten“ ein flächendeckendes Umdenken erzeugen und die Strukturen aufbrechen, den aus meiner Sicht spielt die eigenverantwortliche Übernahme von Verantwortung in den agilen Methoden – auch über den eigenen Tellerrand hinaus – eine große Rolle. Hoffen wir, dass wir auf diesem Wege der organisierten Unverantwortlichkeit den Garaus machen.
Hat dies auf IdeeQuadrat rebloggt und kommentierte:
Schöner Artikel von Toms Gedankenblog… „Wollen wir hoffen, dass die “Agilisten” ein flächendeckendes Umdenken erzeugen und die Strukturen aufbrechen, den aus meiner Sicht spielt die eigenverantwortliche Übernahme von Verantwortung in den agilen Methoden – auch über den eigenen Tellerrand hinaus – eine große Rolle. “ Dem kann ich mich nur anschließen!
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Hat dies auf Wünschen. Wollen. Tun. rebloggt und kommentierte:
Wahre Worte, lieber Thomas Michl.
Bedauerlich, dass Verantwortung zu übernehmen kaum Kultur hat.
Das geht ja in vielen (in allen?) Lebensbereichen so.
Und es gibt jede Menge erwachsene Menschen (auch unter den Machern), die sich ganz schwer tun, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen.
In zwischenmenschlichen Beziehungen z.B. zu sehen: Oft genug sind meist die anderen Menschen Schuld daran, wenn es einem schlecht geht… die eigenen Anteile an einer als negativ wahrgenommenen Entwicklung werden mitunter erstaunlich naiv negiert.
Oder das eigene Handeln.
Was Ökologie und Wachstumsideen betrifft, handelt der überwiegende Teil der Bevölkerung und der Entscheider vollkommen so, als gebe es keine Verantwortung, die auf einen selbst entfällt.
Methoden zu einer verantwortungsbewussten Kommunikation sind weitgehend unbekannt.
Und wenn es darum geht, Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen… schauen wie die Kuh, wenn’s donnert…
Ich befürchte, dass sich kaum etwas an diesem Mangel ändern wird, wenn nicht eine breitere Allgemeinbildung in psychologischen Basics, in Reflektion und Verstehen, in Verantwortung und Kommunikation entsteht. Hier einige Gedanken zu diesem sehr dringenden Anliegen:
https://wuenschenwollentun.wordpress.com/2015/03/28/hassunproblemoderwatt-wir-brauchen-eine-allgemeinbildung-in-psychologie/
Thomas Michl hat dazu einen spannenden Artikel über die Scheinrationalität des Homo oeconomicus gebloggt, den ich hier neulich rebloggt habe: https://wuenschenwollentun.wordpress.com/2015/02/26/uber-die-scheinrationalitat-des-homo-oeconomicus/
Auch Vorbilder fehlen uns oft, Vorbilder für ein Leben, in dem Verantwortung nicht vor der eigenen Haustür aufhört:
https://wuenschenwollentun.wordpress.com/2014/12/09/citizenfour-auf-der-suche-nach-vorbildern/
Entscheidungen treffen kann schief gehen, ja. Aber Verantwortung zu tragen heißt eben manchmal auch, Entscheidungen zu treffen und ggf. Fehler zu machen. Ist so. Hier mehr zum Thema Entscheidungen:
https://wuenschenwollentun.wordpress.com/2015/02/03/entscheide-dich/
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Danke für den tollen Artikel. Beschäftige mich derzeit viel zu viel mit dem Thema Motivation, Anerkennung und Flow und egal, was ich lese, überall kommt man zum Schluss, dass die Bedingung für Eigenverantwortlichkeit Flexibilität und das Gefühl von Autonomie ist. Je mehr man vorgibt, desto mehr schaltet der Mensch das eigenständige Denken ab.
Gerade für kreative und innovative Unternehmen oder Firmen der Tod. Und dann wundert man sich, wieso so viele Arbeiter unmotiviert sind… Grüßkes.
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