Ein paar Gedanken zur möglichen „(Super-)Großen Koalition“
Bei Gedanken an die drohende „Große Koalition“ beschleicht mich ein extremes Unbehagen. Nicht nur wegen der Inhalte des möglichen Koalitionsvertrags, die bisher bekannt wurden. Nein, mich beschleicht ein extremes Unbehagen, wegen der unglaublichen Stärke der möglichen künftigen Bundesregierung.
Jeder Sozialwissenschaftler lernt bereits als Student: Macht korrumpiert! Die Wahrscheinlichkeit das konzentrierte Macht dem Missbrauch anheim fällt ist enorm. Und genau deshalb beschleicht mich dieses unglaubliche Unbehagen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein parlamentarisches System. Der/die Kabinettschef/in steht unmittelbarer Abhängigkeit vom Parlament (Bundestag). Umso wichtiger ist, dass in diesem Parlament neben der Regierungsmehrheit eine schlagkräftige Opposition als kontrollierendes Gegengewicht die Rolle des Mahners und kritischen „Kontrolleurs“ wahrnimmt. Aber eine solche schlagkräftige Opposition werden wir im Falle einer großen Koalition nicht haben. Ganz im Gegenteil. Die Regierungsbank hat nicht nur eine satte Mehrheit, nein, sie hat – auf Grund der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse – beinah absolute Macht, die es ihr erlaubt selbst am Grundgesetz, zu drehen. Aber ein solches parlamentarisches System lebt gerade auch davon, dass Regierung und Opposition sich reiben. Es lebt davon, dass die Opposition die Rolle des Mahners übernimmt und einem Missbrauch der Regierungsmacht den Spiegel vorhält.
Die zweite Kammer, der Bundesrat, verliert als politisches Gegengewicht dadurch ebenfalls erheblich an Bedeutung, denn auch der Bundesrat wird faktisch von der zu erwartenden großen Koalition dominiert wird. Auch von dort wäre ein adequates Gegengewicht wenig zu erwarten. Die vertikale „Gewaltenteilung“ ist in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt. Ein plebiszitäres Gegengewicht, dass wie ein drohendes Damoklesschwert möglicherweise ein Korrektiv darstellen könnte, gibt es in Deutschland nicht!
Ich will nicht hoffen, dass das Schreckenszenario meiner schlimmsten Alpträume für die nächsten vier Jahre – auch wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte – eintritt. Aber die Sorge bleibt. Und man sollte nicht vergessen, was einmal beschlossen wurde, lässt sich nicht ohne weiteres umkehren (Sperrklinkeneffekt). Umso wichtiger ist mir daher auch der politische Meinungsbildungsprozess, der gerade aus dem Gegenspiel von Regierung und Opposition lebt. Denn ich aber in der aktuell zu erwartenden großen Koalition mit ihren Mehrheitsverhältnissen bedroht sehe.