
Bei vielen Herstellern scheint Innovation zu bedeuten, den Kunden teure Features aufzuschwatzen, die zwar schick aussehen, aber in Wahrheit störanfällig sind. Das Ziel ist offenbar, die Kunden dazu zu bewegen, möglichst schnell Ersatz zu kaufen. Dumm nur, wenn die Kunden das Spiel durchschauen.
Was mich nervt, ist das Gejammer der sogenannten Manager über Umsatzeinbußen, Personalkosten und Ähnliches. Sie gehen nicht das Kernproblem an. Qualität wird auf dem Altar der Kosteneffizienzneurose geopfert, der Kunde zur Melkkuh degradiert und der Mitarbeitende zum Kostenfaktor erniedrigt. Anstatt auf Qualität und Auskömmlichkeit zu setzen und sich ernsthaft – nicht nur auf der Schaubühne – mit den Erwartungen ihrer Kunden auseinanderzusetzen, frönen Manager weiterhin der Effizienzneurose und wundern sich, weshalb die Kunden ihre hochgelobten Produkte zunehmend nicht mehr wollen.
Und für alle, die jetzt meinen, mir erklären zu müssen, dass Optimierung per se nichts Schlechtes bedeutet – ja, das ist mir bewusst. Ich rede hier von einer kurzfristigen Sichtweise, die das große Ganze nicht im Blick hat. Ich frage mich manchmal wirklich, wie es Effizienzneurotiker schaffen, mit ihrer Überoptimierung ganze Organisationen lahmzulegen. Unter der Überschrift, die Effizienz verbessern zu wollen, wird totoptimiert und die nicht wertschöpfende Arbeit gesteigert statt reduziert, indem man lokal optimiert, ohne die Prozesse von rechts nach links zu betrachten. „Lean” wird zu „verhungert” statt „gesund”. Hauptsache, die „Schulterklopfmetriken” für die Bonuszahlung sind stimmig.
Wer den Kunden zum zahlenden „Trottel” degradiert, hat vergessen, wozu Organisationen da sind. Wer Mitarbeitende zu Kostenfaktoren degradiert, übersieht, wer den Mehrwert schafft. Wer nur Kostenreduktion fordert und dabei Qualitätsverluste billigend in Kauf nimmt, handelt grob fahrlässig, weil er oder sie die mittel- bis langfristigen Wirkungen außer Acht lässt.
Ja, ich sehe in vielen Organisationen enorme Verbesserungs- und Optimierungspotenziale. Ein Beispiel ist die Reduzierung der nicht-wertschöpfenden Arbeit. Ein Klassiker. Man denke nur an die Arten von Muda von Taiichi Ohno, dem Mitbegründer des Toyota-Produktionssystems. Wenn wir diese Potenziale heben wollen, ist eine reine Fixierung auf die Effizienz kontraproduktiv, ohne vorher die Frage nach der Effektivität aufzuwerfen. Wenn wir diese Potenziale heben wollen, müssen wir aufhören, Mitarbeitende auf ihren Kostenfaktor zu reduzieren. Nur wer sein Handwerk beherrscht und tagtäglich mitwirkt, damit Ergebnis und Qualität stimmen, kann uns dabei helfen, die Auskömmlichkeit zu steigern.
Von der viel beschworenen ganzheitlichen Betrachtung sind wir in so vielen Organisationen weit entfernt. Ebenso von der nicht minder oft beschworenen „Kundenorientierung”, die am Ende doch nur als Komödie in drei Akten des Marketingtheaters auf der Schaubühne gespielt wird. Die „Effizienzneurose“ der nahezu blindwütigen „Finanzkennzahloptimierung“ wird die Probleme nicht lösen. Im Gegenteil. Sie wird sie verschärfen. Meister Konfus wird es freuen – mich leider nicht.