Das Projektmagazin hat bereits im alten Jahr eine Blogparade gestartet, die die Frage aufwirft, ob es im Projektmanagement Grenzen braucht. Die Blogparade läuft noch bis 02. Februar 2020 und es sind schon einige spannende Beiträge erschienen. Ich habe lange überlegt, ob ich zu den bereits erschienen Beiträge überhaupt noch einen weiteren Aspekt mit Mehrwert beitragen kann. Am Ende habe ich mich dann doch noch durchgerungen, meine Gedanken dazu zu teilen – auch auf die Gefahr hin, den einen oder anderen Impuls zu wiederholen.
Beim Wort Grenzen, habe ich zwei Bilder im Kopf: Den „Eisernen Vorhang“ des Kalten Krieges und die grüne Grenze der Europäischen Union. Beides hat zunächst nichts mit Projektmanagement zu tun, zeigt aber auf, wie vielseitig schon allein die Anwendung von „Grenzen“ ist. Hier die (faktisch nicht) hermetisch abgeschottete, strikt abgegrenzte Außengrenze der einstigen Warschauer Pakt-Staaten hin zum „kapitalistischen“ Feind im Westen und dort die durchlässige, fast unsichtbare grüne Grenze, wie wir sie heute innerhalb Europas glücklicherweise kennen.
So ähnlich versuche ich mich gerade dem Begriff im Projektmanagement anzunähern. Da gibt es die gnadenlose, eindeutig klare Abgrenzung klassisch und agil, die schon beinah in methodischem Ideologiekampf zu münden scheint. Das muss ganz genau abgegrenzt werden, mit der klaren Ansage, die jeweils gegenüberliegende Seite der Grenze sei die schlechtere. Die Grenze ist klar definiert, der Übertritt aufwendig und mit Hürden versehen. Dem gegenüber steht das Bild einer grünen, durchlässigen Grenze zwischen den Welten, die mehr der Orientierung dient. Der Orientierung, welche methodischer Ansatz im jeweiligen Kontext besser geeignet ist und dabei davon ausgeht, dass jenseits wie diesseits der jeweiligen Grenze positive Aspekte vorhanden die hilfreich sind und daher das schnelle Wechseln über die Grenze ermöglichen, ohne den Durchfluss zu behindern. Als passionierter Agilist neige ich dazu, die „grüne Grenze“ zu bevorzugen, die Grenze ist – gerade in Projekten – nie klar und trennscharf möglich. Zumindest wenn die Komplexität hoch ist und so gefällt mir der Gedanke, ohne große Hürden mal schnell über die Grenze zu springen und mir im Bedarf bei der jeweils anderen Seite mich unterstützen zu lassen.
In diesem Sinne sind Grenzen oder besser ist die Abgrenzung, nicht etwas, welches man als absolut ansehen sollte, sondern viel mehr eine Orientierungshilfe. Ähnlich wie Rollenkonzepte, wie wir sie im agilen Kontext kennen. Sie helfen dabei einen gewissen Fokus herzustellen, bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass die jeweilige Rolle die alleinige Verantwortung trägt, sondern nur im Zusammenspiel der Rollen die Dinge funktionieren. Grenzen in diesem Sinne sind Leitlinien, Prinzipien – keine harten, abgegrenzten Grenzzäune.