In den letzten Wochen und Monaten lese ich immer, dass die Komplexität der Umwelt zugenommen haben. Bullshit! Sie war schon immer da. Die Welt war komplex als die Menschheit gerade vom Baum gekrabbelt ist. Sie war komplex als wir gelernt haben uns mit Pfeil und Bogen gegenseitig umzubringen und sie war schon komplex als Newton der berühmte Apfel auf den Kopf fiel. Komplexität ist nichts neues. Nichts plötzlich aufgetretenes. Verändert haben sich andere Dinge. Zum einen unser Wissen über unsere komplexe Welt und die Halbwertszeit dieses Wissens hat in den letzten 100 Jahren stetig abgenommen und sich unglaublich beschleunigt. Mittlerweile verdreifacht, ja vervierfacht sich das vorhandene Wissen in extrem kurzen Abständen. Mit diesem Wissen wächst auch unsere Erkenntnis über komplexe Zusammenhänge oder besser die Erkenntnis, wie komplex die Dinge sind. Damit versagen aber unsere liebgewonnen, lange etablierten und sich langsam entwickelten Strukturen.
Darin liegt das Problem. Komplexität gab es schon früher. Aber die Erkenntnis über die Komplexität hat Zeit, viel Zeit gelassen die Strukturen anzupassen. Über lange Zeiträume. Genug Zeit sich allmählich zu gewöhnen. Zeit sich auf die Veränderungen einzustellen, sich gemächlich anzupassen. Zeit um zu langsam zu lernen. Aber mit dem wachsenden Wissen um die Komplexität der Welt, mit dem sich immer schneller drehenden Rat der Erkenntnisse, des Wissens wächst der permanente Anpassungsdruck an unsere Strukturen. Nicht langsam und in Ruhe, sondern schnell. Nicht durchbrochen von längeren Ruhephasen, sondern permanent. Ständig.
Hat dies auf IdeeQuadrat rebloggt und kommentierte:
Und hier spannende Gedanken zum Thema Komplexität…
Danke dafür!
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Vielen Dank, dass du die „Komplexität“ zum Thema machst! (Hätte ich mich nie getraut, aber das liegt wohl an meiner Minderwertigskeitskomplexität …)
Du sprichst über Komplexität im Verhältnis „Mensch Umwelt“. Also dass unsere Umwelt nicht komplexer ist als früher, sondern unser Umgang mit ihr.
Hinzu kommt, dass unsere innere gesellschaftliche Umwelt (unsere „soziale Architektur“) komplexer geworden ist. Also das Verhältnis „Mensch Mensch ( Umwelt“). Wir leben nicht mehr in Stämmen von maximal 150 Personen, worauf unser Gehirn eingerichtet ist, sondern in Staaten von 80 Millionen oder gar in einer globalisierten Welt, Vielleicht einer der Gründe für die von dir genannte Beschleunigung. Und unsere Methoden, mit dieser Komplexität umzugehen, sind die der schwäbischen Hausfrau (Dorf, 80 Einwohner, Gangart gemütlich) …
Lustiger Weise hat parallel zu dir ein anderer Blogpost das Thema Komplexität aufgegrifffen: http://wirdemo.buergerstimme.com/2015/03/der-blinde-fleck-in-den-diskussionen-rund-um-fuehrung-und-zusammenarbeit/, auf den ich an dieser Stelle nur hinweisen will.
Und wir von der Redaktion von teamworkblog.de planen am 1. und 2. Oktober 2015 eine offene Lernwerkstatt, bei der Komplexität und Organisationsentwicklung auch eine große Rolle spielen werden. Vielleicht sieht man sich!
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Hallo Wolf, im Hinblick auf das Thema Sozialstrukturen stimme ich Dir zu. Die Entstehung der Nationalstaaten, das rasante Bevölkerungswachstum hatte zu allen Zeiten erheblichen Einfluss auf die Veränderungen der Sozialstrukturen. Die Sozialstrukturen mussten sich permanent den gewandelten Bedingungen anpassen. Aber auch hier gilt, die Komplexität war schon immer da – nur die Geschwindigkeit mit der die Veränderungen auf uns Menschen hereinbrechen hat extrem zu genommen. Sozialstrukturen wachsen und stabilisieren sich über Generationen hinweg. Die Chance sich aber langsam anzupassen und sich zu stabilisieren haben unsere Sozialstrukturen zunehmend nicht mehr, weil sich das Umfeld in denen diese Sozialstrukturen funktionieren sollen müssen, sich immer schneller verändern und damit destabilisiert werden. Was noch vor einer Altersgeneration funktioniert hat, funktioniert in der nachfolgenden Generation schon nicht mehr. Und diese Veränderungsgeschwindigkeit nimmt permanent zu. Innerhalb einer Altersgenerationen finden derart viele Umbrüche statt, wir permanent umdenken müssen. Es gibt keine längeren stabilisierenden Faktoren, die über einen längeren Zeitraum die Chance lassen, neue Sozialstrukturen einzuüben und zu festigen, sondern wir stellen sie permanent in Frage.
Leider hat der moderne Mensch die erforderlichen Fähigkeiten noch nicht entwickelt, um dieser Herausforderung angemessen und entspannt entgegenzutreten. Die Zeit hat er dafür nicht. So spannend ich es diese Umwälzungen finde, umso mehr mache ich mir Sorgen, wie sich dies auf uns Menschen im Alltag auswirkt. (Achtung: Hypothese) Die Zahl der stetig steigenden psychischen Erkrankungen spricht in meinen Augen eher dafür, dass die Veränderungsgeschwindigkeit eher überfordert.
Leider weiß ich so richtig keinen Ausweg. Die Uhr lässt sich schwer zurückdrehen. Aber wie wir es schaffen die die Kompetenzen und Fähigkeiten schnell genug zu erlernen, darauf weiß ich leider keine Antwort.
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