In Erinnerung | Johann Michl, verstorben am 24.12.1994

Heilig Abend für mich Jahr für Jahr ein schwieriger Tag. Am 24.12.1994 starb mein Vater. Vollkommen überraschend. Ich war damals 19 Jahre alt. Er wäre einen knappen Monat später 41 Jahre geworden. Zwischenzeitlich habe ich ihn über 8 Jahre überholt. Heute habe ich selbst Kinder. Kinder, die er nie kennenlernen wird. Und die nie ihren Großvater kennenlernen werden.

30 Jahre ist es heute her. Und immer noch habe ich die Bilder vor Augen: der Nachbar, Freund der Familie und Hausarzt, der versucht hat, meinen Vater wiederzubeleben und nicht aufgeben wollte. Ich sehe meine Mutter und meine Großeltern vor mir, für die eine Welt zusammengebrochen ist. Sehe meinen Bruder, damals gerade mal 10 Jahre alt, der mit sich ringt und kämpft. Und ich habe sogar unsere damalige Katze vor Augen, die wochenlang durch den Wind war.

Ich sehe die Gesichter der Menschen, die meinem alten Herrn die letzte Ehre erweisen wollten, vor mir. Den einstigen Flüchtling aus dem Irak, der um „seinen Bürgermeister“ trauert. Der Polizeibeamte, der salutiert, als der Leichenwagen mit dem Sarg an ihm vorbeifährt. Ich sehe den Musiker auf der Beerdigung vor mir, dem die Luft wegbleibt, als er seine Trompete ansetzen will.

Seit 30 Jahren habe ich diese Bilder jedes Weihnachten vor Augen. Tief ins Gedächtnis gebrannt. Und jedes Jahr am gleichen Tag kämpfe ich mit der Erinnerung. Ich vermeide, dass meine Kinder allzu viel davon mitbekommen. Sie sollen Weihnachten genießen und sich freuen. Aber die Erinnerung kommt immer wieder.

Johann Michl, geboren 1952 in Schrobenhausen (Bayern), gestorben am 24.12.1994 in Offenau (Württemberg). Er war Vater, Freund, Bruder, Sohn, hauptamtlicher Bürgermeister (1981 bis 1994), Genosse, Kreisvorsitzender und vieles mehr. Wir werden ihn nie vergessen.

Er hatte sich zu Lebzeiten zu seiner Beerdigung den „Kleinen Trompeter“ gewünscht. Jedes Jahr mischt sich das Lied unter die Weihnachtslieder der Familie. Jedes Jahr. Zur Erinnerung. Auch dieses Jahr.